Richard Katzinger

Ehrenamtlicher Vogelexperte bei Birdlife – Stellungnahme zu den Windparks im Raum Waidhofen/Th

„Immer wieder werden Vögel als Kollisionsopfer von Windenergieanlagen mit einer Reihe von weiteren anthropogen verursachten Gefährdungspotenzialen verglichen. Der Tod durch die Glasscheibe, etwa durch Hochhäuser, Wintergärten, Bus-Stationen oder Lärmschutzwänden, ist nicht von der Hand zu weisen. Es gibt hier seit Jahren intensive Bemühungen, z.B. an der Biologischen Station Hohenau-Ringelsdorf (Verein Auring in Kooperation mit der Universität für Bodenkultur, ASFINAG und Verkehrsministerium), durch experimentelle Untersuchungen die Wirksamkeit verschiedener Glas-Markierungen zu evaluieren. Ein Vergleich, der allerdings deutlich hinkt, ist jener von Windrädern mit Hauskatzen. Ja, es stimmt, dass Freilaufkatzen viele Vögel fressen und ein Problem darstellen. Nein, es stimmt nicht, dass Katzen als Prädatoren direkt mit Windrädern verglichen werden können. Unter Windrädern finden sich als Kollisionsopfer vor allem auch Großvögel wie Adler, Milane und Störche, die nie in das Beutespektrum einer Hauskatze fallen würden und deren geringe Reproduktionsrate auch nicht auf Verluste durch Prädation (oder Windräder) abgestimmt ist. Dass sich die Bestände vieler Großvogelarten in den letzten Jahrzehnten erholt haben, ist auf internationale Schutzbemühungen (Nisthilfen, Horstüberwachungen, Gesetzesänderungen, Monitoring-Programme, Anti-Gift-Aktionen usw.) zurückzuführen. Die Präsenz von Windrädern wirkt eher dämpfend, aktuell entwickelt sich in Österreich die Kollision durch Windräder zur Todesursache Nummer 1, z.B. beim Seeadler oder auch beim Kaiseradler (allein im Jahr 2023 sind in Österreich 5 von 11 verunglückten Kaiseradlern nachgewiesenerweise mit Windrädern kollidiert). Dass die Zahl der Verluste nicht höher ist, haben wir einer Zonierung zu verdanken, welche die Verteilung der Windkraftstandorte bisher regulierte. Sollte diese Zonierung nun aufgeweicht werden, müssen wir auch mit einer höheren Zahl an Kollisionen rechnen. Vor allem im Waldviertel, wo sich im Zusammenhang mit der Treboner Teichplatte ein Kerngebiet des mitteleuropäischen Seeadlervorkommens befindet, sollten Windenergieanlagen vor allem in Wäldern äußerst kritisch beurteilt werden. Auch einer der seltensten Brutvögel Mitteleuropas, die überwiegend in Waldviertler Wäldern brütende Kornweihe, wäre durch die Errichtung von Windrädern im Wald massiv in ihrem europäischen Brutbestand beeinträchtigt. Die Schwesternart der Kornweihe, die Wiesenweihe ist ebenfalls eine stark kollisionsgefährdete Vogelart – 95% des österreichischen Brutbestandes befinden sich in den Bezirken Horn und Waidhofen/Thaya.

Bedingt durch die vielfältige Landschaft ist das Waldviertel nicht nur für Vögel ein wichtiges Rückzugsgebiet, sondern auch für eine Vielzahl weiterer Tierarten – hier sind insbesondere Luchs und Wildkatze zu nennen. Die scheuen Waldbewohner benötigen ruhige und ungestörte Wälder, um ihren Nachwuchs aufzuziehen – Windräder im Wald bringen eine Reihe von unnatürlichen Störfaktoren mit sich und können sich dadurch negativ auf die Populationen der beiden heimischen Katzenarten auswirken.

Eine Erschließung von Waldgebieten zum Zwecke der Errichtung von über 250m hohen Windrädern bedarf eines gewaltigen Eingriffes in das Waldgefüge – die seit Jahrzehnten sorgfältig von den Landwirten angelegten Forstwege werden dafür nicht ausreichen. Für den Antransport der gewaltigen Einzelteile werden sehr viel breitere Wege notwendig sein und letztlich müssen mehrere Hektar Wald für die Stand- und Errichtungsfläche gerodet werden. Damit werden sehr viele Lichtungen in unsere Wälder hinzukommen – fraglich ist jedoch, ob denn diese Lichtungen unter den riesigen Windturbinen oder neben den vielbefahrenen Forst-Autobahnen tatsächlich positive Auswirkungen auf die Artenvielfalt haben werden.

Ich denke nicht! Viel mehr denke ich, dass wir mit unseren Wäldern weiterhin sorgfältig umgehen sollten, die Artenvielfalt der Waldviertler Wälder ist einzigartig in Österreich und sollte nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Einzig unseren Bauern sollte es vorbehalten sein unsere Wälder zu bewirtschaften, schließlich haben sie mit der nachhaltigen Nutzung ihrer Wälder die Basis für die enorme Artenvielfalt gelegt.

Ja, wir werden in Zukunft sehr viel mehr Strom aus erneuerbaren Quellen benötigen, um dem Klimawandel entgegenzutreten, aber ich halte es für sehr unüberlegt, einen Ausbau der Windkraft zu Lasten der Artenvielfalt zu forcieren.

Wenn wir den Ausbau der Windkraft in Österreich länderweise betrachten, können wir für Niederösterreich bereits ca. 800 Anlagen verbuchen, der aktuelle Bestand in Oberösterreich beträgt 31 Anlagen.

Mit der Zielvorgabe des Landes NÖ bis 2035 ca. 250 neue Windräder zu errichten, werden rein rechnerisch über 60 neue Anlagen im Waldviertel gebaut, also ein Vielfaches des Bestandes unserer westlichen Nachbarn.

Wir wissen aus anderen Gebieten wie z.B. aus dem Nordburgenland, wo bereits viele Windräder stehen, dass es regelmäßig zu Kollisionen mit seltenen Arten wie etwa Rotmilan, Kaiseradler, Seeadler, Großtrappe etc. kommt. Das Waldviertel beherbergt international bedeutende Brutbestände verschiedener Vogelarten und ist Lebensraum vieler weiterer bedrohter Tierarten, geben wir darauf Acht und roden wir nicht unsere Wälder für Strom zum Export in andere Bundesländer!“

https://www.auring.at/de/forschung/vogelanprall-auf-glas.html

https://www.birdlife.at/page/presse

Brutverteilung streng geschützter Arten

Das obere Waldviertel ist bundesweit einziges Brutgebiet bzw. Hauptbrutgebiet seltener, strengeschützter Vogelarten. Quelle: Birdlife Österreich
Die Angaben sind prozentual, es handelt sich bei der Gesamanzahl meist nur um sehr wenig Brutpaare. Schon der Verlust von wenig Individuen kann eine ganze Art ernsthaft gefährden.